LovelyBooksleserunde für Amruielle

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Liebe Fantasyleserin, lieber Fantasyleser,

Amruielle ist ein spannender High-Fantasy-Roman über das Schicksal einer jungen Feuerelbin, die Macht der Magie und der Zauberschmiederei. Anders als bei der Reihe „Die Zauberschmiedin“ handelt es sich bei diesem Band um eine in sich geschlossene Geschichte.

Und darum geht’s:

Feuerelben sind machtvoll, magiebegabt und männlich, gezeugt, um dem Feuergott Bael als Zauberschmiede zu dienen. Doch statt eines siebten Sohnes wurde Amruil eine Tochter geboren.
Amruielle ist eine talentierte Edelsteinflüsterin, die im Gegensatz zu ihren Brüdern kaum in die Zauberei eingewiesen wird, um nicht die Aufmerksamkeit des Feuergottes auf sie zu lenken. Damit kann sich die junge Feuerelbin nicht abfinden. Als ein Kampf um die Silbren entbrennt, braucht Amruil die Hilfe seiner Söhne, um die mächtigen Juwelen zu retten. Trotz aller Verbote will Amruielle ihrem verletzten Vater beistehen.

Für die Leserunde verlose ich 5 Taschenbücher und 5 E-Books, die ich je nach Beteiligung aufstocken werde. Bitte teilt mir mit, ob ihr euch für Print, E-Book oder beides interessiert. Erwähnt doch bitte, wo ihr Rezensionen einstellen würdet. Da Amruielle im Moment exklusiv bei Amazon erhältlich ist, sind für mich dort Rezis besonders bedeutsam.

Ich freue mich schon auf eure Eindrücke, Hinweise und Fragen, da mir die Leserunde zu Feuerzorn, Schattenrausch und Aschengier sehr viel Freude gemacht haben. Auch versuche ich zeitnah zu antworten.

Ich hoffe, ihr habt Lust auf ein paar spannende Stunden mit Magie, Abenteuern, Freundschaften zu Wargen, Flügen auf Pegasi und Kämpfen um die Götterjuwelen. Wenn ihr noch Fragen habt, dann raus damit.

Bis bald, es grüßt euch herzlich, Ruth

Leseprobe Amruielle

Amruielle – Die siebte Söhnin der Feuerelben

Legenden und deren düstere Prophezeiungen

Bestehen durch alle Zeiten

Und dringen in andere Welten

Doch die Götter bleiben unberührt

Und vergessen ihre Schöpfung

Die Gier erwacht

Das Böse gebiert die Dunkelheit

In dieser Finsternis leuchtet ein einsames Licht

Der Odem DES EINEN

Gestohlen durch die Gotteskinder

Erhoben zu den Juwelen der Götter

Durch einen Zauberschmied

Einem Kind des Gefallenen

Im Kampf mit dem Bösen in sich selbst

Stellt sich ein Geschlecht

Geschaffen aus Feuer und Zorn

Gestählt durch Schatten und Hass

Glimmt ein zartes Licht der Lukia

DIE FEUERELBEN

 

  1. Sei, was du bist!

Amruielle beobachtete die bunten Schmetterlinge, die im Garten von Blüte zu Blüte flogen. Wie schön sie waren. Prächtig schimmerten sie in kräftigen Orange- und Rottönen. Aufregende Muster zierten die Flügel. Am liebsten mochte sie den Balderafalter, der diesen Namen trug, weil er die Lieblingsschöpfung der Göttin Baldera war. Er war handtellergroß, seine Flügelränder waren gezackt und besaßen einen tiefen lila Grundton. In Purpur, Silber und Gold prangten dort Sterne und Sternschnuppen. Die Göttin Baldera hatte sie selbst geschaffen: die kleinen bunten Freunde, die sich elegant auf die Riesenrose setzten. Einer der Falter erhob sich, flatterte vor Amruielles Nase, um sich dann auf dem angebotenen Handrücken niederzulassen, während die anderen Falter aufflogen und das Weite suchten. Der Rosenbusch zitterte leicht im sanften Wind, doch das schien den Einen nicht zu stören.

»Wie schön du bist«, sagte sie andächtig und traute sich kaum zu atmen. »Dieses Gold und das Lila. Wie eingefasster Sonnenstein auf Samt. Ich werde Edelsteine suchen, die eine Seele wie du haben. Anmutig, zerbrechlich, filigran und dennoch voller Kraft und Freiheitsdrang.«

Die Fühler des Tieres streckten sich der jungen Feuerelbin entgegen. Amruielle wollte lachen. Doch dann fiel ihr ein, wie empfindlich diese geflügelten Wesen waren. Schon eine leichte Erschütterung verursachte bei ihnen Unwohlsein. So verkniff sie sich die Form der lauten Erheiterung und setzte nur ein Lächeln auf, dabei versuchte sie, ihre Hand ganz still zu halten.

»Habe keine Angst, mein kleiner Freund.« Als sie ihn weiter bewunderte, seufzte sie sehnsüchtig. »Du hast Flügel. Du kannst fliegen!«

Der Schmetterling neigte sein graziles Haupt, so als ob er sie auffordern wollte, sich näher zu erklären.

»Ach, weißt du. Seit Vater weg ist, darf ich nicht mehr aus Haus und Garten. Nicht falsch verstehen. Er ist ja wunderschön und bestimmt auch für einen Balderafalter ein Paradies, ein gesegnetes Land der Götter.«

Sie schaute sich um, sah die Vielzahl der bunten, duftenden Blumen, die zwischen sattem Grün auf Bienen warteten. Der Garten war so groß, dass sie ihn kaum während eines Tages zu durchschreiten vermochte. Ein Falter konnte hier Ewigkeiten damit zubringen, alles zu erkunden. Dicht am Haus standen Brunnen, eine Parkanlage und viele Statuen. Es gab sogar einen See, auf dem Rosen schwammen, einen kleinen Wald mit Rehen, Kaninchen und anderen Wildtieren. Sie liebte den Garten, der ihr Elternhaus in der Elbenstadt umgab. Doch sie sehnte sich nach den Ausflügen außerhalb der Stadt, in die Berge und Steppen des Mohnenlandes, wohin ihr Vater Amruil sie früher immer wieder mitgenommen hatte. Manchmal waren sie in den hohen Norden gereist. Dort wurden für den Feuergott Bael Warge vermehrt, die einst ihr Vater aus Wölfen gezüchtet und sie mit Unseele, Drachenblut, verkehrter Magie und Qual zu dem gemacht hatte, was Bael verlangte: grausame, seelenlose, magische Geschöpfe, die fest an ihren Herrn gebunden waren. Der Feuergott brauchte unerschrockene, gehorsame Reittiere für seine Armee aus Orks, Marrovals und anderen Kreaturen aus dem baelischen Labor. Amruielle hasste ihren Vater dafür. Sie verstand einfach nicht, dass Amruil diesem bösen Gott diente. Ihre Brüder stellten es niemals infrage. Aber sie würde nicht lockerlassen und ihn solange mit ihren Vorhaltungen bombardieren, bis sie es verstände oder ihn überzeugt hätte, es zu lassen.

Wenn sie nur die Gelegenheit hätte, mit ihm zu streiten. Ein Seufzen drang aus ihrer Brust. Dieses leichte Beben veranlasste den Falter, aufzuflattern.

»Entschuldige!«, flüsterte Amruielle. »Du bist aber empfindlich. Ich tu dir doch nichts. Im Gegenteil. Ich werde dich beschützen.«

Der Falter schien ihr Glauben zu schenken, denn er landete erneut auf ihrem Handrücken und streckte ihr aufmerksam die Fühler entgegen.

»Du willst wissen, warum ich traurig bin?« Amruielle war, als hätte der Falter genickt und so begann sie zu erzählen: »Weißt du, mir fehlen die Reisen und mir fehlt Vater. Es ist noch gar nicht so lange her, vor drei Jahren, da war meine Welt noch in Ordnung. Weißt du eigentlich, wer mein Vater ist?«

Der Falter wackelte mit den Flügeln.

»Mein Vater ist der Sohn des Feuergottes Bael und eines Vampirweibs. Eine ganz traurige Geschichte.«

Der Falter ließ die Fühler hängen.

»Marroval hieß die Mutter meines Vaters. Einst war sie eine Lichtelbin. Ein Geschöpf der Göttin Lukia.«

Der Falter leuchtete auf.

»Ja, alle Geschöpfe lieben Lukia, nur Bael nicht. Also: Marroval fiel in Baels Hände und er verdarb sie und machte sie so zu einem Geschöpf der Nacht. Weil sie das Licht der Lukia verloren hatte, wurde sie wahnsinnig und gierte nach dem Seelenlicht anderer Wesen.«

Das Leuchten des Falters verging.

Amruielle kicherte verhalten, dennoch flog der Falter auf und setzte sich auf eine der Blüten in der Nähe, dabei wandte er den Kopf hektisch hin und her, als fiele ihm jetzt erst auf, dass die anderen Falter fort waren.

Rasch erzählte Amruielle weiter: »Sie glauben, ich wüsste das nicht. Mit der Mutter meines Vaters. Dass sie ein Ungeheuer ist. Doch irgendwann habe ich sie belauscht, als Amruil mit meinem Bruder Lykos stritt. Lykos wollte mir das wohl schon lange sagen, aber Vater hatte es ihm verboten. Dabei bin ich kein Kind mehr. Ich bin zwar die Jüngste von sieben, aber selbst ich wandle seit vielen Jahrzehnten auf Eisenland. Geschöpfe mit Magie brauchen sehr lange, bis sie gereift sind, hat mir meine Mutter erklärt, als sie noch in der Lage war, etwas zu erklären.«

Der Balderafalter hatte wohl neben der Wut auch ihre Traurigkeit gespürt, denn er flatterte zurück auf den Handrücken. Ihr Herz machte einen kleinen Hüpfer.

Voller Zärtlichkeit betrachtete sie den Balderafalter, der einfach für sie da war, ihre Gefühle erspürte und diese mit ihr durchlitt. Jetzt ließ auch er die Fühler hängen und die Farben auf seinen Flügeln wurden blass und matt.

»Na ja. Vielleicht hat Vater bald die Nase voll von dieser Silbra. Wegen diesem Weibstück, so sagt mein großer Bruder Melian, hat er uns verlassen. Uns …« Sie blickte auf die Veranda des Hauses, wo ihre Mutter in eine Seidenraupendecke eingewickelt saß. So wie jeden Tag starrte sie vor sich hin, sprach nicht, aß nicht und rührte sich nicht. Melian sagte, Mutter hätte ein gebrochenes Herz. Und Melian, der der älteste und weiseste der sieben Geschwister war, sollte das wissen. »… und meine Mutter!«, vollendete sie nach einer Weile den Satz. Offenbar hatte sie laut, finster und plötzlich gesprochen, denn der Falter wurde erschreckend durchscheinend. Sanfter fügte sie hinzu: »Jetzt bist du ja da und ich nicht mehr allein!«

Der Falter hob den Kopf und flatterte mit den Flügeln.

»Was soll ich dir zeigen? Weiter hinten haben wir Vanilleblumen, die duften. Das wäre doch was für dich.« Mit Befriedigung stellte sie fest, dass die Farben des Falters langsam wieder satter wurden und er sich von ihrer aufgesetzten Heiterkeit anstecken ließ.

»Amruielle, wo ist unsere Mutter?«, gellte es durch den Garten.

Lykos! Die junge Feuerelbin seufzte. Hatte sie denn niemals vor ihrem Bruder Ruhe? Und dann so eine dumme Frage.

»Wo soll sie schon sein?«, rief sie in die Richtung, aus der sie ihn gehört hatte. Sehen konnte sie ihn nicht. Der Balderafalter summte nervös. »Ist gut mein Kleiner!«, beruhigte sie ihn.

Plötzlich stand Lykos vor ihr, die Magie, die um ihn wogte, war heiß. Der Falter kreischte. Verzweifelt versuchte er zu entkommen, aber die versengten Flügel versagten ihren Dienst.

»Oh, nein!«, schrie Amruielle Lykos an. »Geh sofort ein paar Schritte zurück. Deine Magie tötet ihn sonst.«

»Was soll‘s? Es ist doch nur ein Falter!«

»Ein Geschöpf Balderas!«, wies die jüngere Schwester, die Lykos bis zur Brust reichte, den Bruder zurecht. Rasch sandte sie dem Tier, das sie sicher in ihren Händen geborgen hielt, Heilsam zu. Wenigstens eine magische Fertigkeit, die sie lernen durfte. Zugleich merkte sie, wie die Flügel heilten und wuchsen und das Tierchen ruhiger wurde, als der Schmerz abebbte.

»Völlig unnütz«, sagte der junge Feuerelb verächtlich. »Keine Kraft, keine Magie. Und essen«, bei dem letzten Wort fletschte er die Zähne, »kann man sie auch nicht!«

Amruielle spürte, wie das grazile Wesen sich ganz fest an ihre Haut drückte und am liebsten unsichtbar geworden wäre. Sie sandte ihm ihre Fürsorge und schenkte ihm Zuversicht. Sie würde ab jetzt besser aufpassen, dass ihm nichts weiter geschähe. Er schien sie zu verstehen, denn er entspannte sich und hockte ruhig in der Kuhle ihrer Handflächen.

»Übrigens sitzt unsere Mutter in ihrem Stuhl, wie immer. Du brauchtest gar nicht so ein Trara zu machen!«

Lykos lachte, dabei standen seine feuerroten Haare wirr vom Kopf ab und seine grünen Augen funkelten vergnügt. Rasch kniff er in ihre Wange, zwinkerte und sagte: »Kleine. Du bist ganz schön frech. So redet man doch nicht mit seinem großen Bruder, der bald ein angesehener Zauberschmied sein wird.«

Ganz konnte sie die Skepsis nicht aus ihrer Stimme verbannen, als sie entgegnete: »Wirst du das?« Bedauernd gab sie nun den genesenen Falter frei, der sogleich das Weite suchte. Sie vermittelte ihm noch, nicht allzu weit zu fliegen, weil sie ihm die Schätze des Gartens zeigen wollte. Traurig bemerkte sie, wie er sich abschottete und sie nicht mehr an seinen Gefühlen teilhaben ließ.

»Ja, das werde ich. Schau!« Voller Stolz hielt er ihr einen Schmuckanhänger hin.

Es war ein großer, tiefblauer Lapis Lazuli, der kunstvoll als Leopard gefertigt war. Amruielle verstand auch sofort, warum. Der Stein hatte goldene Einsprenkelungen, die nun wie Tupfer auf einem Fell aussahen.

»Der sieht ganz gut aus!« Begierig nahm die Feuerelbin ihn zwischen ihre Hände und spürte sofort, wie der Stein sich gegen die Leopardenform stemmte. »Er ist aber nicht zufrieden.«

Lykos lachte trocken auf. »Nicht zufrieden? Der Stein?«

»Ja, er ist ein Ultramarinstein. Das Meer hätte ihm entsprochen, vielleicht auch ein Fluss, der fließt. So was hätte ihm zu ihm gepasst. Die goldenen Sprenkel hätten die Sterne sein können, die sich auf der Wasseroberfläche spiegeln!« Augenblicklich musste sie an die Sterne denken, die auf den Flügeln des Balderafalters geprangt hatten.

Mit einem Schnauben entriss Lykos ihr das Schmuckstück. »Du hast ja nicht alle Zapfen auf dem Zweig«, zischte er. »Mädchen sind halt schwach und dumm.«

Amruielle wurde wütend. »So, denkst du?!« Sie stampfte mit dem Fuß auf, stemmte die Hände in ihre Hüften und blitzte ihn an, in der Hoffnung, ein Blitz würde aus ihren Augen fahren und ihn erschlagen.

Wieder lachte er. Diesmal klang es böse. »Sieh unsere Mutter an. Eine einfache Elbin. Weiblich, zart, schwach, ohne Willen. Warum kämpft sie nicht um Vater? Warum geht sie nicht zu den Glitzernden Grotten und verjagt diese Hure?«

Amruielle wusste nicht, was eine Hure war, doch war es bestimmt nicht schmeichelhaft, so genannt zu werden. Aber eigentlich war es ihr gleich, was man über die Frau aus dieser anderen Welt sagte, die ihren Vater mit Beschlag belegte. Der Bruder durfte nur nicht so über ihre Mutter sprechen. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Feuer pochte hinter den Augäpfeln.

»Dieser Stein, mein Kind …«, hob er pathetisch an.

»Hör auf, ich bin nicht dein Kind!«, zischte sie.

»Dieser Stein ist so hart, dass ich ihn mit meinem Feuer aus den Felsen brannte, nachdem ich mit Feuerbällen große Brocken herausgerissen habe.«

»Sind deine Bälle explodiert?«, fragte sie nun doch mit Anerkennung. Denn das konnte sie nicht. Nur im Zorn gelangen ihr magische Ausbrüche, die schon mal verheerend sein konnten. Kontrolliert Feuerbälle zu erzeugen, schaffte sie nur mit Unterstützung. Vielleicht, wenn sie mehr üben würde, doch es kümmerte sich ja niemand richtig um sie.

Er nickte. Offensichtlich tat ihm die Bewunderung gut und ließ ihn gnädiger werden. »Und jetzt schau, was in diesem Stein steckt.« Er sprach ein paar düstere Worte, machte einige kunstfertige Bewegungen mit seinen Händen in der Luft und warf dann den Stein in die Höhe. Der Zauber erzeugte Wellen in der Atmosphäre. In diesen Strömen verwandelte sich der Lapis Lazuli. Er wuchs und das blaue Fell bekam Struktur. Plötzlich stand vor Amruielle ein ausgewachsener, lebendiger Leopard, der sie anfauchte.

»Kusch!«, schrie sie. Doch das Raubtier grollte tief und legte die Ohren flach an, die langen Reißzähne funkelten golden, prachtvoll und gefährlich. »Der ist wunderschön und meisterlich«, rief sie.

Der blaue Leopard, der sie mit seinen Blicken fixiert hatte, duckte sich und machte sich zum Sprung bereit. Ihr Herzschlag beschleunigte sich und sie spürte, wie Funken aus Wut in ihr sprühten. Ach, wenn sie doch gezielt ihre Magie damit entflammen könnte.

»Wenn du ihn nicht sofort zurückpfeifst, dann brenne ich ihm eins auf sein blaues Fell!«, schrie sie dennoch.

»Ja, ja, ist ja gut!«, sagte er und es hörte sich belustigt an. Dann kniff er ein Auge zusammen und meinte: »Du kannst das sowieso nicht. «

»Lykos, das ist mein Ernst! Lass es nicht drauf ankommen!« Amruielle streckte die Hände aus, bereit, einen Feuerball fahren zu lassen. Tatsächlich fand flüssiges Feuer den Weg aus ihren Fingerkuppen. Doch statt wie ein Blitz mit Macht auf den Leoparden zu schießen, tropfte es vor ihre Füße auf den mit Pflanzen bewachsenen Boden. Die Feuerschmelze verwandelte das frische Grün sofort in schwarze Glut und dann in tote Asche. Verdammt, das Feuer gehorchte ihr einfach nicht.

»Ruf ihn zurück!«, zischte sie. Sie hasste es, hilflos zu sein und Angst zu haben, und sie hasste es noch mehr, diese Blöße vor ihrem Bruder Lykos zu zeigen.

»Zuerst gib zu, dass Mädchen schwach sind und du eine Angsthäsin.«

»Pah!« Voller Abscheu blickte sie von dem Raubtier zu ihrem Bruder und dann hilfesuchend zu ihrer Mutter, die aber unbewegt vor sich hinstarrte. Vor wenigen Monden hätte sie ihrem Sohn Einhalt geboten und später bestraft, in diesem Zustand war jedoch keine Hilfe von ihr zu erwarten. Die schwere Raubkatze grollte. Ihre Barthaare zitterten vor Erregung, so gespannt war der Körper, um aufzuschnellen und sie zu zerfetzen. Verzweifelt suchte Amruielle in ihrer Umgebung nach Magie, doch der heimtückische Lykos hatte sie komplett abgegriffen. Was sollte sie tun?

»Sag es!«, forderte Lykos mit schneidender Stimme. »Sag es, oder sie wird dich töten!«

»Das wirst du nicht wagen. Vater …«

»Vater ist nicht hier, sondern vergnügt sich mit seinem Liebchen. Und wenn du erst einmal Leopardenfrühstück gewesen bist, wird er wohl glauben müssen, was ich ihm erzähle. Irgendeine tragische Geschichte wird mir schon einfallen.«

Amruielle schluckte. Ihr blieb wohl nichts anderes übrig und so setzte sie an: »Mädchen sind …« Ein kräftiger Magiesturm unterbrach sie und ein grauer, zotteliger Körper sprang an ihr vorbei und warf sich auf den blauen Leoparden.

»Wasjal!«, rief Amruielle erleichtert aus. Der Lieblingswarg ihres Vaters kam zur rechten Zeit. Schnell sog sie die Magie ein, die er mitgebracht hatte. Der Leopard hatte sich inzwischen unter dem größeren und schwereren Warg weggetaucht und stand dem magischen Raubtier geduckt und fauchend gegenüber.

»Ruf ihn zurück, Bruder!«, beschwor sie ihn.

»Ich denke gar nicht daran«, sagte er lachend. »Das ist doch unterhaltsam. Ich wette zwei zu eins, dass mein Leopard gewinnt.«

»Du spinnst doch!«, beschied Amruielle.

Sein spitzes Gesicht verzog sich zu einer grinsenden Grimasse. Amruielle spürte, wie er den gefleckten Panther mit Magie fütterte. Gern hätte sie einen richtigen Schutzschild gezaubert, aber dazu fehlte ihr die Kenntnis. Ein Bannkreis war einfacher. Magie hatte sie genug gezogen. Nur wie ging das noch mal mit dem Bannkreis? Wenn sie doch ihrem Bruder Dadir besser zugehört hätte! Fieberhaft kramte sie in ihrem Gedächtnis. Dann fiel ihr ein, dass es besser war, wenn derjenige selbst den Bannkreis zog. Rasch lief sie zu Wasjal, der sie wütend anknurrte und geifernd nach ihr schnappte. Undankbares Vieh. Vokale, erinnerte sie sich nun. Sie sang ein I und ließ es in ihrem Kopf dröhnen. Dann ein tiefes E im Hals, bis es kratzte. Ein A erklang in ihrem Herzen.

»Amruielle, was machst du da?« Lykos kicherte. »Gesang steht gar nicht auf dem magischen Lehrplan!«

Die Feuerelbin versuchte, sich nicht ablenken zu lassen, dennoch vernahm sie das Fauchen der Raubkatze. Sie probierte, ihrem Bauch ein O zu entlocken. Die Laute vibrierten in ihrem Körper und als sie ein U in ihrer weiblichen Mitte anstimmte, das sich bis in die Beine und in die Füße erstreckte, wurde es in ihr warm. Es war, als würde sie von innen leuchten, als sich die Vokale zu einer magischen Kraft verbanden. Damals hatte sie Dadir nicht verstanden, doch nun wusste sie instinktiv, was zu tun war. Sie hob ihren Finger, um mit der Leuchtkraft den Bannkreis in die Luft zu zeichnen.

»Kleines Mädchen, du bist zu langsam«, stichelte der Bruder. »Mein Leopard greift jetzt an.«

Tatsächlich ging der geduckte Panther zwei, drei Schritte rückwärts und in dem Moment, als er zum Sprung ansetzte, packte eine fremde Kraft zu und stahl ihr die frisch erzeugte Leuchtkraft. Der Protest, der in ihr emporloderte, wurde gegen sie verwendet. Sie bekam einen Schlag und purzelte einige Schritte durch die Luft, um dann hart auf dem Gartenboden aufzuschlagen. Kurz konnte sie nicht atmen und blinzelte benommen durch die Grashalme, um zu sehen, was da geschah.

Der Leopard galoppierte auf den Warg zu, der mit der Leuchtkraft rasch einen Bannkreis zog. Überrascht erkannte Amruielle, dass nicht ihr Bruder der Dieb war, sondern Wasjal. Das Raubtier prallte brüllend ab, rappelte sich auf und tigerte am Bannkreis entlang.

Japsend kam sie auf die Knie. Was sollte das? Sie wollte ihm doch nur helfen. Nun fühlte sie sich gedemütigt. Trauer und verletzter Stolz klumpten sich zu Wut zusammen und nahmen sich die restliche Magie, die sie noch hatte. Amruielle spürte, wie das magische Gefüge sich aufbäumte. Doch sie wollte sich nicht rechtfertigen, und beruhigen konnte sie es nicht. Auch das hatte sie nicht gelernt. Verflucht. Sie wusste, dass sie die Kraft dazu hatte, dem Warg zu helfen. Doch konnte sie diese Kraft nicht einsetzen. Sie war zu nichts zu gebrauchen, weil man ihr nicht einmal das Nötigste beibrachte.

Zu allem Überfluss lachte Lykos. »Sag ich doch, Mädchenkram, singen und leuchten, mehr können sie nicht.«

Bevor die Wut über Amruielle zusammenschlagen konnte, zauberte ihr Bruder eine Welle, die den Bannkreis schwächte. Der Leopard kratzte und schnüffelte, um das Loch in der Barriere zu finden, während Wasjal geduckt in der Mitte hockte und zornig knurrte.

Dann brach der Zorn über die Feuerelbin herein. Kochend ließ sie ihre Kräfte gewähren, das geballte Trauer-Stolz-Wut-Magie-Agglomerat schoss aus ihr heraus, entzündete sich zu einem Feuerball und fand seinen Weg zum Bannkreis, den es augenblicklich in Brand setzte.

Das Raubtier wich fauchend zurück. Auch eine Edelsteinkatze hatte Furcht vorm Feuer. Lykos wollte sich ausschütten vor Lachen. Der Leopard fauchte. Da sein Herr ihm Magie schenkte, begann er tapfer, die Flammen mit seinem Schwanz auszuschlagen, während Wasjal sich mit der Energie aus dem Zauber zum Angriff bereitmachte. Wenigstens das war ihr gelungen. Amruielle ahnte, dass er einen unaufmerksamen Moment ausnutzen würde, um den blauen Leoparden anzugreifen.

»Bitte, sonst gibt es Verletzte und wie willst du das Vater erklären«, versuchte sie noch einmal, den Bruder zur Vernunft zu bringen.

Lykos antwortete nicht, sondern nährte sein Geschöpf mit Magie, sodass es weiter wuchs. Wie gern könnte sie das auch. Bei der nächsten Gelegenheit würde sie mit Vater sprechen, Mädchen hin, Mädchen her. Er musste ihr all die Dinge beibringen.

Der Warg grollte, wurde ganz steif und beobachtete den Leoparden genau. Voller Wut sah Amruielle zu, wie die Raubkatze aufgrund der Stärkung durch Lykos kräftiger und größer wurde. Fieberhaft überlegte Amruielle, was sie tun konnte, um den Warg zu unterstützen, denn der mit Magie gefütterte Leopard überragte ihn inzwischen. Sie fürchtete, dass Wasjal wenig Chancen hatte, die mächtige Raubkatze zu besiegen. Ich muss Lykos daran hindern, den Leoparden zu füttern! Irgendwie muss mir gelingen, den Magiestrom auf Wasjal umzuleiten, dachte sie. Wie hatte sie eben den Feuerball gemacht? Geschaffen aus Wut und Magie – ob ihr das noch einmal gelingen konnte? Zornig genug war sie schließlich. Aus der wenigen Wargmagie, die sie noch hatte, schuf sie einen Feuerball, den sie auf Lykos zielte. Der machte einen Schritt zur Seite, gab dem Feuerball eine neue Richtung und traf den Warg.

Wasjal jaulte auf, wälzte sich auf dem Erdboden und löschte das Feuer. Der Gestank von verbranntem Fell hing in der Luft. Auf diesen Moment schien der Leopard nur gewartet zu haben, denn er sprang über den geschwächten Bannrahmen hinweg und stürzte sich auf den sich windenden Warg. Die stärkere Raubkatze versuchte mit den blitzenden goldenen Reißzähnen, die Kehle des Wargs zu packen. Wasjal schnappte wild um sich und bekam eines der Ohren zu fassen. Ein ratschendes Geräusch und der Hautlappen hing zwischen den Lefzen des riesigen wolfsartigen Tieres. Blaues Blut strömte aus den Gefäßen und besudelte die beiden Kreaturen, die sich wütend und unaufhörlich bissen.

»Er hat ihn kaputtgemacht!«, jammerte Lykos.

»Ruf ihn zurück, bevor noch Schlimmeres passiert!«, forderte sie.

Doch ihr Bruder dachte nicht daran. Wild sah er sich um. Amruielle hielt die Luft an. Plötzlich vernahm sie etwas Pochendes. Protest! Wut! Das spürte sie ganz genau. Schon wieder! Es waren nicht ihre Empfindungen. Doch woher kamen diese geballten Gefühle? Sie konnte sich nicht dagegen wehren, eine Wolke aus Emotionen nahm sie gefangen. Vor ihren Augen wurde es schwarz.

Atme, dachte sie. Die Empfindungen nahmen zu. Es war, als ob sie selbst es fühlte. Etwas teilte seinen Gemütszustand mit ihr. Flammender Widerstand, Unwille. Ein Strudel bildete sich, er zog sie hinab in eine wabernde Dunkelheit. Irgendwie war sie körperlos.

Wo war sie?

Dann lichtete sich die Finsternis. Unter sich erkannte sie goldene und silberne Fäden, die ein Netz im Nichts spannen. Obwohl sie vibrierten, gaben sie ihr Sicherheit wie ein richtiger Weg. Amruielle vermutete staunend, im magischen Netz zu sein. Hatte Magie sie dort hineingeführt? Lykos behauptete ja stets, sie wäre dazu nicht in der Lage. Ob er nun ahnte, dass sie es konnte?

Ein Wispern ließ den Gedanken bedeutungslos werden. Hellblaues Licht wie ein blau beleuchteter Pfirsichkern, flammte auf. Das musste eine Aura sein. Sie erinnerte sich an die Schilderungen ihres Vaters über Aurenlichter, als sie ihn heimlich bei einem Gespräch mit Melian belauscht hatte.

Wer bist du?, fragte sie.

Der Kern pulsierte und flüsterte. Und sie erkannte die Seele des Lapis Lazuli, gefangen im Körper eines Leoparden. Atemlos beobachtete sie, wie dunkle blaue Schlieren wie Hyänen den hellblauen Kern umkreisten. Sobald sich der Kern entfalten wollte, um ein strahlendes Licht auszusenden, zogen sich die blauen Schlieren zu, bedrängten die Aura.

Amruielle ahnte, dass der Lapis Lazuli kein Raubtier sein wollte. Er wollte nicht kämpfen, verletzen oder gar töten, er wollte fließen, erfrischen und Leben schenken. Wie konnte sie ihm helfen und Lykos das Handwerk legen? Sie hatte keine Erfahrung mit den Aurenlichtern im magischen Netz. Doch musste sie es wenigstens versuchen, schließlich war der Lapis Lazuli ein edler Stein mit einer eigenen Seele. Und er hatte sie mit seinen Gefühlen ins magische Netz gezogen. Offenbar brauchte er ihre Hilfe und glaubte, dass sie das konnte.

Rasch und ohne auf etwas anderes zu achten, konzentrierte sie sich auf das Sein im magischen Netz. Licht erhellte sie. Mit überirdischer Stimme flüsterte sie: Lapis Lazuli. Hörst du mich?

Ja!, krächzte eine Stimme im Gefüge. Die Stimme der Aura, die durch ihre Magie ihr Ansinnen nicht nur in Farben, sondern auch in Worte kleiden konnte.

Was kann ich für dich tun?

Der Zauber, er erstickt meine Seele.

Amruielle hörte die Qual in den Lauten. Wie kann ich ihn durchbrechen?

Das Aurenlicht flackerte wie eine Kerzenflamme kurz vorm Verlöschen. Der Lapis Lazuli gab ihr zu verstehen, dass sie doch das magische Wesen sei. Sie müsste es wissen. Amruielle versetzte es einen Stich, seine Ängste und Enttäuschung mitzuerleben. Zu gern würde sie ihn von Lykos’ Zauber befreien. Aber sie wusste nicht, wie. Das Blau wurde nun matter und durchscheinender, während die dunkelblauen Schlieren immer mehr Platz einnahmen.

Tu was!, schrie Lapis Lazuli. Meine Seele stirbt und dann bleibe ich ein brutales Leopardenwesen. Wenn du dich nicht beeilst, werde ich den Warg töten!

Wasjal! Eine immense Gefühlswelle wurde frei und erreichte die Aura des Wargs. Plötzlich sah Amruielle das Geschehen im heimischen Garten aus seinen Augen.

Wasjal musste auf dem Rücken liegen, denn sie sah den Leoparden über sich. Geifer in schmierigen Tropfen flog auf sie zu. Die Augen der Raubkatze hatten das Blau des Aurenlicht. Es flackerte und der Leopard, der mit beiden Vorderpfoten den Wargkörper hinunterdrückte, fauchte wild. Dann erstarrte er.

Sie hörte, wie Lykos fluchte: »Verdammtes Vieh. Mach den Warg kalt!«

Wasjal gab ihr zu verstehen, dass das, was sie da tat, gut sei. Verlass dich auf deinen Instinkt! Mit diesem Gedanken verließ sie Wasjal und fand sich augenblicklich im magischen Netz wieder. Tatsächlich konnte ihr Bewusstsein zwischen diesen Welten pendeln. Mit Schrecken erfasste sie, wie die dunklen Schlieren des Zaubers sich nun wie ein Spinnennetz um das blaue Aurenlicht des Lapis Lazuli ausbreiteten. Der Zauber wird es ersticken. Wut stieg in ihr auf. Das konnte sie nicht zulassen. Ein feuriges Licht kam in ihr hoch. Mein Aurenlicht! Mit diesem durchdrang sie das Zauberfeld der dunkelblauen Schlieren, die das wahre Selbst des Edelsteins in Schach hielten.

Ich muss ihn stärken. Sie rief ihn bei seinem Namen. Lapis Lazuli! Ich verstehe dich.

Sein Licht frischte auf.

Du bist ein Strom aus frischem Wasser, ein Quell des Lebens.

Das Flackern wurde schwächer.

Du bist kein Raubtier.

Der Stein schien erleichtert, dass er erkannt worden war, doch die düsteren Zauber quälten ihn noch immer.

Hör einfach auf, ein Raubtier zu sein, um alles andere kümmere ich mich.

Dann spürte sie Unglaube, Misstrauen und Verzagtheit. Wieso sollte sie auch plötzlich wissen, was zu tun war? Aber sie wusste es. Die Antwort lag in ihr.

Vertrau mir. Das, was dich bedrängt, lenke ich für einen Moment ab. Dann sei, was du sein willst.

Beherzt fasste sie zu und riss an den Schlieren. Doch der Zauber war stark. Die dunkelblauen Fremdkörper ergriffen ihre magischen Finger und quetschten sie. Amruielle schrie auf, dennoch bewegte sie die Schlieren hin und her und brachte sie zum Schwingen, dabei wurde ihr ganz schwindelig. Einen weiteren Moment, dann wurde sie aus dem magischen Netz katapultiert und fand sich im heimischen Garten wieder.

Die beiden Raubtiere lagen blau und rot blutend übereinander. Das blauglänzende und das zottelige Fell waren zu einem Knäuel verschmolzen. Ihr Bruder versuchte keuchend, den Zauber zu halten, doch der Leopard erschlaffte, verlor seine Konturen, dann sein Fleisch. Lykos schrie erbost auf, während sich die Raubkatze verflüssigte und als heilender Strom über den Warg erging. Die Wunden spülte er aus, bald verfärbte sich die Lache, in der Wasjal lag, zu einer lila Pfütze. Amruielle sah erleichtert, wie durch die Verwandlung des Leopards eine Menge Magie freigeworden war, die den Warg heilte.

Wasjal schüttelte sich, dann erhob er sich schwerfällig, während sich das Blut-Wassergemisch verfestigte und verformte. Lykos sank auf die Knie und erfasste den Lapis Lazuli, der nun wie ein gefrorener Fluss in seinen Händen lag. Tränen rollten ihm über die Wange.

»Was hast du getan?«, flüsterte er und schaute sie hasserfüllt an. »Du hast es kaputtgemacht!«

Was sollte Amruielle dazu sagen?

»Das kann ich unmöglich Vater zeigen. Das war mein Gesellenstück.«

»Jetzt könnte es ein Meisterstück sein!«, sagte die Schwester ungerührt, zog sich aber lieber ein Stück zurück. Unendlich erschöpft fühlte sie sich.

Wasjal, der sich schwerfällig erhob, trottete zu ihr. Plötzlich spürte sie ein Ziehen im Kopf, das sich zu einem punktuellen, hämmernden Schmerz ausbreitete. Etwas Fremdes war in ihrem Verstand.

»Was ist los, Schwester?«

Sie konnte nicht antworten, hohe Töne quälten sie. Was war das? Als sie versuchte, den Fremdkörper herauszudrängen, berührte die Schnauze des Wargs ihre Hand. Doch das Hämmern blieb und dann waren da Laute. Wasjal leckte ihr beruhigend die Hand. Mit einem Mal formten sich die Töne zu Worten.

Das hast du gut gemacht!, hörte sie seine Stimme, die rau an ihrem Verstand kratzte wie Diamant auf Schiefer.

Verwundert schüttelte sie den Kopf. »Werde ich jetzt verrückt?«

»Das fragst du noch?«, höhnte Lykos, während Wasjal ihr Handgelenk eifrig mit seiner Zunge bearbeitete.

Weil du mich jetzt verstehen kannst?

Es musste der Warg sein, der mit ihr sprach. Sie nickte bloß und wagte nicht, zu antworten. Doch Lykos kümmerte sich nicht mehr um sie, sondern untersuchte den nun handtellergroßen Lapis Lazuli.

Telepathie, verstand sie. Warum musste das so weh tun? Du wirst lernen, deinen Verstand vorm Eindringen zu schützen.

Telepathie, sie hatte davon gehört. Ihr Vater und auch Dadir schienen sich auf diese Weise mühelos mit ihren Wargen zu verständigen. Sie nannten das auch auraische Wargverbindung. Aber nie hätte sie gedacht, dass sie diese Kunst auch erlernen könnte. Wie war das möglich, dass sie Wasjal verstand?

Also könnte er ihre Gedanken hören, erklärte er ihr: Du hast instinktiv den Weg zu meiner Aura gefunden. Jetzt können wir uns auch außerhalb der Fäden des magischen Netzes mittels Telepathie verständigen.

Kannst du meine Gedanken lesen?

Doch darauf antworte er nicht. Inzwischen hatte Wasjal von ihrem nassen Handgelenk abgelassen und knurrte leise. Amruielle drehte sich um und sah, wie ihr Bruder mit dem Edelstein in der Hand wutschnaubend auf sie zusteuerte. Die Untersuchung war offenbar abgeschlossen. Sein Gesicht war rot vor Zorn und seine grünen Augen blitzten auf. Mühsam beherrschte sich Amruielle, um nicht zurückzuweichen.

Wasjal positionierte sich vorsorglich zwischen den Geschwistern. Seine Präsenz zwang den jungen Feuerelben auf Abstand. Schnaubend blieb der Bruder stehen. Amruielle wusste nicht, wie sie ihren Bruder beruhigen sollte.

»Lykos!«, begann sie und versuchte, ihrer Stimme einen versöhnlichen Klang zu geben.

»Lykos!«, äffte er sie nach. »Du hörst dich an wie unsere schwachsinnige Mutter.«

Die junge Feuerlbin spürte, wie erneut Wut in ihr emporstieg. Was bildete er sich ein, so über Mutter zu sprechen? Doch bevor sie sich vergessen konnte und am Ende noch irgendeinen wilden Zauber freisetzte, knurrte Wasjal warnend und bremste sie in ihrem Vorhaben, indem er ihr telepathisch mitteilte: Ich soll dich abholen. Mein Herr Amruil möchte dich sehen!

Keuchend erlaubte sie dem Schmerz, den seine Worte verursachten, durch ihren Kopf hindurchzurollen. Aber die Vorfreude auf ein Wiedersehen mit ihrem Vater ließ einen fröhlichen Balderafalter in ihrem Magen schwirren.

»Wirklich?«, sagte sie laut.

»Ja, wirklich!«, meinte Lykos. »Wie unsere Mutter!«

»Mit dir rede ich gar nicht!« Amruielle wandte sich dem alten Warg zu, der ihre Nachfrage nickend bestätigte. Das Gefühl der Freude wurde übermächtig, sodass sie den Hals des ponygroßen Tieres umschlang und ihn fest drückte. Wasjal grollte leicht.

»Ist ja gut, mein lieber Stinker.«

»Du sprichst jetzt mit dem Warg, hoffe ich!«

»Ja, Bruder. Das tue ich!«

»Du kannst ihn verstehen? Das glaube ich nicht, dass du die Kunst der Telepathie, der aurarischen Wargmagie, beherrschst. Das können nur Vater und Dadir!«, behauptete Lykos und warf ihr einen skeptischen Blick zu.

»Glaub doch, was du willst. Vater hat ihn jedenfalls geschickt, um mich zu holen!« Der Stolz ließ sich nicht aus ihrer Stimme verbannen.

»Dich lässt er holen, nicht mich?«

Amruielle zuckte mit den Achseln. Als Lykos einen Schritt auf sie zumachen wollte, knurrte Wasjal böse. Der Feuerelb erstarrte in seiner Bewegung. Seines Leoparden beraubt, hatte er wohl doch Respekt vor dem Raubtier seines Vaters. Wasjal gab ihr indes zu verstehen, dass sie sich auf seinen Rücken setzen sollte! Er beugte seine Vorderbeine, sodass sie hinter seinen Schultern Platz nehmen konnte. Die drahtigen Haare stachen in die Haut ihrer Oberschenkel.

»Du willst doch nicht einfach abhauen?«, schimpfte Lykos.

»Vater will mich sehen!« Aufrecht saß sie auf dem Warg und reckte ihr Näschen noch etwas höher.

»Wirst du es ihm sagen?« War da tatsächlich ein leichtes Zittern in seiner Stimme, das seine Angst verriet?

»Was meinst du? Dass du seinen Warg umbringen wolltest, den verzweifelten Ruf einer Steinseele ignorierst oder auf seine Tochter losgehst?« Sie funkelte ihn von oben herab an. Es war eine Genugtuung, ihn so zu erleben. Obwohl sie nicht ernsthaft vorhatte, ihn zu verpetzen, setzte sie genüsslich hinzu: »Mal sehen!«

Für einen kurzen Moment wirkte er zerknirscht, dann fing er sich offensichtlich wieder. »Wie willst du das wieder gut machen?«, fragte er entrüstet und hielt ihr den Lapis Lazuli in Bachform hin. Es sah so aus, als wäre er mitten in der Bewegung eingefroren. Goldene Schaumkronen veredelten den Stein und ließen ihn sehr lebendig aussehen. Tatsächlich entdeckte Amruielle goldene Sprenkel, die wie Sterne wirkten.

»Schau!«, machte sie ihn aufmerksam. »Die Sterne des Himmels spiegeln sich in der Oberfläche.«

»Furchtbar!«, jaulte er auf. »Lukias Sterne.«

»Die Gebilde einer Götterkönigin. Ein Symbol für Stärke und Schönheit!«, konnte sich die Feuerelbin nicht verkneifen zu sagen.

»Ja, spotte nur. Die Waffen des schwachen Geschlechts!«, konterte er schon nicht mehr ganz so weinerlich.

Amruielle, die sich auf dem Rücken des Wargs sicher fühlte, erlaubte sich ein triumphierendes Lächeln. »Hör auf zu jammern, großer Bruder. Ich habe dein Werk verbessert. Vater hätte es nicht gut gefunden, wenn du die Seele der Steine ignorierst. Dieser Lapis Lazuli ist ein Gewässer, dafür ist er geboren. Kein Leopard. Du brauchst mir nicht zu danken!« Während sie sprach, bat sie den Warg loszulaufen. Und so sprengte sie davon, als sie das letzte Wort ausgesprochen hatte, ohne sich noch einmal nach ihrem Bruder umzusehen.