Aschengier

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Die Zauberschmiedin zwischen Liebe, Freundschaft, Eifersucht und einem dunklen Pakt

Aschengier

Der Mond blutet und auf der Sonne toben Feuerstürme, die auf Eisenland niedergehen und es zu vernichten drohen. Das grausame Ritual des Dunklen Herrschers entfaltet seine Wirkung. Rayka und Lavilija treten erneut den Kampf gegen das Böse an und versuchen, den Tod der Himmelskörper zu verhindern. Die Liebe zu Targoin macht sie zu Rivalinnen. Eifersucht und Misstrauen erschüttern ihre Freundschaft. Als Targoin in die Fänge der Marroval gerät, wird nicht nur ihre Freundschaft auf eine harte Probe gestellt. Denn Gentia will die beiden Elbinnen  zu einem Pakt nötigen und benutzt Targoin als Unterpfand.

Leseprobe „Aschengier“ 2.Kapitel

2. Nach dem Ritual

Vierzehn Tage nach der dritten Vollmondnacht im Sommer des Jahres 581 des Götterlosen Zeitalters

Westliche Nordlande, Morland

Verbrannte Welten – noch zu retten?

Rayka folgte Lavilija, die die Wolkentrage mit der schlafenden Prinzessin hinter sich herzog. Sie waren auf dem Weg nach Silbrarillia, um die Prinzessin zurückzubringen und hoffentlich den Reisenden zu treffen. Ihr Blick war fest auf den Boden gerichtet, damit sie nicht über eine der Wurzeln stolperte, die hier im Uferbereich des Weos über den schmalen Weg krochen. Dennoch war sie mit den Gedanken ganz woanders. So viel war passiert. Alles hatte sich in wenigen Wochen völlig verändert, allein die Ereignisse der letzten Tage reichten für ein Leben. Dennoch war Rayka erleichtert. In jener Vollmondnacht hatten sie die Maledine erfolgreich abgeschüttelt. Der Schatten, den Lavilija gewebt hatte, war der beste Schutz gewesen. Doch Rayka hatte ihn kurz verlassen, etwas hatte ihre Neugierde geweckt. Als sie durch die Schatten der dunklen Nacht schlich, erkannte sie im Schutz der hohen Tannen einen Elb mit einem Pferd, der Targoin im Licht der Sterne so ähnlich war, dass es in ihr Herz schnitt. Es ging eine alte Magie von ihm aus, die sie beunruhigte und gleichzeitig anzog. Ein kleines Leporidenmädchen hatte er bei sich gehabt, die er nicht dazu bewegen konnte, leise zu sein. Unentwegt plapperte sie vor sich hin. Ein Umstand, der gefährlich war, wenn Maledine durch die Gegend ritten. Das schien dem Elb, der offensichtlich ein Kundschafter im Dienste des Königs der Westmark war, ebenso bewusst zu sein. Wenn sie das Geplapper richtig verstanden hatte, hieß das Mädchen Leula, das Pferd Foc und den Kundschafter nannte sie Averloron. Aus dem Gespräch entnahm Rayka, dass der Kundschafter den Auftrag hatte, die Prinzessin aufzuspüren und zurück nach Silbrarillia zu bringen. Unterwegs hatte er die Fährte einer Wargin aufgenommen und durch die Spuren herausgefunden, dass Orks die Prinzessin entführt hatten. Rayka erinnerte sich nur zu gut, wie sie als Warg versucht hatte, die Orks daran zu hindern. Einen Augenblick hatte sie überlegt, ob sie sich zu erkennen geben sollte. Doch in diesem Moment kreischten die Schattenpferde der Maledine. Sie schienen ganz in der Nähe zu sein. Rasch ergriff der Kundschafter das Leporidenkind, schwang sich auf das Pferd und floh in die Nacht. Ebenso schnell rannte Rayka zurück unter den schützenden Schatten zu Lavilija und Zeya, in der Hoffnung, keine magischen Marker hinterlassen zu haben. Erstarrt horchten sie in die Nacht. Die schwarzen Ritter auf ihren ebenso schwarzen, magischen Pferden, die wie Bluthunde jede Witterung aufnehmen konnten, tappten durch die Dunkelheit. Manchmal waren sie verdammt nah gewesen. Doch schon bald trabten sie in eine andere Richtung davon. Vielleicht auf der Jagd nach diesem blonden Kundschafter. Dennoch wagten Rayka und Lavilija lange Zeit nicht, den Schatten zu verlassen. Die Feuerelbin wunderte sich, dass sich eine Meisterin des Lichts auf Schattenmagie verstand. Doch die Lichtelbin sagte immer wieder: »Ich bin durchaus fähig, dazuzulernen. So schlimm die Zeit auf Morband war, so war sie doch lehrreich. Ich habe verstanden, wie die Marroval sich der Schattenmagie bedient.«

»Du willst sie mit den eigenen Waffen schlagen?«

»Wenn es nötig ist, ja!«

»Aber hast du mir nicht selbst gesagt, dass der Zweck nicht alle Mittel heiligt? Fürchtest du nicht, dass der Einsatz dieser verdorbenen Magie dich verderben könnte?«

Für Raykas Geschmack winkte die erleuchtete Lichtelbin viel zu rasch ab. Irgendwie wirkte sie verändert. Ob das bereits an den Auswirkungen der Schattenmagie lag? Andererseits: Konnte sie das nach diesen Erlebnissen wundern? Die Marroval und der Dunkle Herrscher hatten Lavilija im Verlies besucht, wahrscheinlich hatten sie die heilige Elbin gefoltert. Rayka versuchte, auf andere Gedanken zu kommen und erinnerte sich mit wohligem Schauern, wie Targoin sie geküsst hatte. Es schien Ewigkeiten her zu sein. Doch damals wie heute löste die Erinnerung einen Gefühlssturm in ihr aus. Ein erster und letzter Kuss, dachte sie bitter. Das letzte Mal, als sie Targoin gegenüberstand, hatte er sie fast erschossen. Das war gewesen, nachdem er den Blutschwur geleistet hatte. Sein Gesicht mit den unsichtbaren Narben, die ihm die Marroval zugefügt hatte, war noch voller Asche und Ruß, durch die Berührung der verkohlten Syra.

Westliche Nordlande, Morland, Vulkanburg Morband

Gentia beobachtete die skelettierten Überreste ihres Dunklen Herrschers: Welch bemitleidenswerten Anblick er bot, dieser Alboze. Dieser Möchtegerngott. Wie schwach er war. Die kleine Rothaarige und die Lichtelbin hatten ihm übel mitgespielt. Diese Feuerelbin musste sehr machtvoll sein. Gentia hatte gefallen, was sie einst in dem Ekstaseritt mit dem hübschen Waldelb gesehen und gespürt hatte. Die Kleine hatte so viel, wonach sie selbst sich sehnte. Das Element der magiebegabten Feuerelbin war das Feuer. Sogar ihre Seele war flammend. Eine Seele, die sich das Vampirweib gern einverleibt hätte. Vielleicht würde diese sie von innen wärmen. Und noch etwas hatte die Rothaarige, das sie begehrte. Den Waldelb. Targoin, der schöne Blonde mit der athletischen Figur. Niemand hatte bisher einen Ritt mit ihr überlebt. Dass der widerliche Große Gnom ihr dieses Spielzeug unter den Klauen weggeschnappt hatte, nahm sie persönlich. Targoin musste stark und widerstandsfähig sein. Und er war voller Leidenschaft. Das machte ihn für sie anfällig. Seine größte Schwachstelle war sein gütiges Herz, das für die Feuerelbin schlug. Etwas, das er zwar zu ignorieren versuchte, das ihn aber stets beschäftigte und irritierte. Und seine Schuldgefühle, dachte die Marroval grinsend. Als ihr bewusst wurde, dass ihre Gesichtszüge verräterisch entglitten, warf sie rasch einen Blick auf Morren. Doch das verbrannte Skelett mit dem rosa schlagenden Herzen eines Menschen lehnte immer noch am Altar und rührte sich nicht. Seine Aura schien erloschen, wahrscheinlich kam so sein Geist zu Kräften. Auf jeden Fall spürte Gentia, dass sie im Moment völlig unbeobachtet war. Wie gut! Sie gönnte sich einen Augenblick der Muße, ließ ihre Gedanken wandern, die aber immer wieder zu den drei Elben zurückkehrten. Das Feuer, das Licht und der Schatten bildeten den Kreis um den Auserwählten. Feuer, Licht und Schatten. Welch kraftvolle Zauber. Sie blickte erneut zu Morren. Noch vor einer Weile hatte sie ihn gefürchtet. Eine Furcht, die von Respekt getragen war und auch von Stolz. Dem Stolz, seine Ausgewählte zu sein, seine Geliebte und Vertraute. Viel hatte er ihr beigebracht. Über Zauberei, schwarze Magie und über Macht. Ihre größte Macht war die über ihn. Sie hatte gelernt, ihn über ihre Dienste im Bett für sich einzunehmen. Er hatte versprochen, sie zu seiner Königin machen. Aber bei dem Ritual hatte sie gespürt, dass sie sich nicht sicher sein konnte. Gegen jede Absprache wollte er ihr das Seelenlicht der Prinzessin nicht überlassen. Fast wäre sie vergangen vor Qual, vor Gier. Er wusste doch, dass sie nach Seelen hungerte. Und dennoch beanspruchte er diese für sich. Mit Genugtuung hatte Gentia registriert, dass die Elbinnen die Reste der Prinzessin mitgenommen hatten. Hoffentlich überlebte die Menschin, damit sie sich die Seele holen konnte. Und nun lag der Dunkle Herrscher da. Ohne Magie, nur ein Haufen Gebeine und Asche. Das bisschen Zauberkraft, das noch da war, hielt ihn zusammen und hatte ihm ein lächerliches rosafarbenes Herz wachsen lassen. Erneut sagte sie sich: Feuer, Licht und Schatten gegen Asche. Diese Allianz musste geschmiedet sein, bevor der Dunkle Herrscher der Asche wieder entstieg. Aber sie musste vorsichtig und mit Bedacht vorgehen. Wenn Morren ihren Verrat witterte, würde am Ende sie zu Asche zerfallen. Die Kriegerpriesterin gierte nach Macht, sah sich als die Schwarze Königin, trunken und beseelt durch das Feuer und das Licht der Elbinnen. Doch wie sollte sie es anstellen? Gefangen im Turm. Bisher hatte kein Scherge des Dunklen Herrschers sie vermisst. Vielleicht trauen sie sich nicht, Seine Genialität bei den Amtsgeschäften zu stören, dachte sie zynisch. Oder sie ließen einfach eine hohe Dornenhecke um die Festung wachsen, bis sie alle nur noch eine Legende waren. Bestimmt waren sie froh, sie vergessen zu können. Vergessen! Sie sah sich selbst, wie ihr mageres Fleisch verweste. Vergessen und verflucht! Nein, so durfte sie nicht enden. Sie war nur geringfügig verletzt und bei Weitem stärker als dieses Häufchen unerträglicher Schmutz, der sich zur Weltenherrschaft berufen fühlte.

Wind kam auf, dunkle Wolken schoben sich über diese dürre Sichel. Auch hier hatte der große Morren versagt. All das für nichts. Moruna? Ein Himmelskörper, der mächtiger sein sollte als die der Götter, doch existierte diese Moruna bisher nur in der Vorstellung des Zauberers. Der Wind verfing sich in Gentias Haar und zauste daran. Kleine Steinchen, die in der Nähe der Zinnen gelegen hatten, rollten nun auf sie zu. Fasziniert beobachtete sie, wie drei von ihnen wie zielgerichtet auf sie zukamen. Doch dann drehte der Wind. Bevor die Steinchen wieder wegrollen konnten, schnappte sie mit ihren knochigen Fingern zu und begrub sie in ihrer Faust. Dort tobten sie, wehrten sich vehement. Eine eigenartige Magie schien in ihnen zu wohnen. Ihre Oberfläche war aufgeraut und sie stachen in ihre Handinnenflächen. Durch die kleinen Wunden drang die Magie in sie. Seufzend spürte sie, wie die Magie durch ihre Adern rauschte, sie stärkte und magisch auflud. Ihr Herz schlug nun kräftig, auf ihrer Haut prickelte es und ihre Brustwarzen richteten sich auf. In ihrer weiblichen Körpermitte klopfte es unruhig. Nur mit Mühe konnte sie ein erregtes Zischen unterdrücken, doch die gespaltene Zunge leckte begierig über die Lippen. Ein Blick auf Morren beruhigte sie. Seine Aura war noch im kosmischen Schlaf gefangen. Daher gönnte sie sich ein wollüstiges Stöhnen. Bilder des athletischen Elben flammten auf, wie sie ihn genommen hatte. Voller quälender Lust drückte sie ihre Faust in ihre Weiblichkeit und gab sich ihrem Verlangen hin. Dabei spürte sie, dass die Steinchen aufgebrochenes Pechstein waren. Durchdrungen von der Magie der Feuerelbin. Und ebenso schwangen Lichtstreifen aus dem Zauber der Lichtelbin mit. Gentias Leib brannte, sehnte sich nach dem Elb. Gleichzeitig erinnerte sie sich an den Auftrag, den ihr der Dunkle Herrscher gegeben hatte. Sie sollte die Zauberschmiedin auftreiben, damit sie die Moruna schmiedete. Die fremde Magie der Elbinnen befeuerte Gentias eigene Schattenmagie. Plötzlich fühlte sie sich voller Kraft. Warum nicht alles miteinander vereinen? Feuer, Licht und Schatten. Sie wusste, dass sie alle drei auf gewisse Art mit dem Waldelb verbunden waren. Lüstern leckte sie über ihre Lippen, als sie die Schattenmagie losschickte, um den Elb mit dem Goldhaar zu finden. Falls Morren sie erwischte, würde sie ihm sagen, dass sie nur seine Befehle befolgte.

Leseprobe Prolog Aschengier

1.Prolog

Apeiron (Sekundäre Dimension), Eisenland

Im Jahr 520 des Götterlosen Zeitalters

Königreich Dion, Sylvana, oder auch das entrückte Gebiet der Waldelben ins Legendenreich, mitten im Silberwald

Die Zauberschmiedin rannte, taumelte, stürzte, rappelte sich auf und hetzte weiter. Bald würde sie die Grenzen Sylvanas erreicht haben. Das Feuer in ihrem Unterleib brannte und loderte erneut auf. Keuchend brach sie in die Knie und spürte den Schweiß, der von ihrer Stirn perlte. Jetzt, da sie die Warge abgeschüttelt hatte, jagte sie der Schmerz. Noch eins musste sie unbedingt erledigen, bevor das Feuer sie von innen verzehrte und ihre eigene Zauberkraft sie in Asche aufgehen ließ. Als ihr letztes Vermächtnis wollte sie wichtige Nachrichten als Träume und Visionen in den Äther schicken. Mit dem Gedanken an Amruila, die sie in der Höhle gebettet wusste, kämpfte sie sich hoch. Weiter! Der Plan, ihr Kind als Waffe gegen Morren einzusetzen, konnte nur aufgehen, wenn sie ihr Wissen teilte. Mit Viator, dem Weltenwanderer, dem die Geschicke von Apeiron noch am Herzen lagen. Die letzte Instanz, der Amruielle vertrauen mochte, seitdem die Götter Eisenland verlassen hatten. Noch den Hügel hinauf, dann würde sie den Silberfluss sehen, der die östliche Grenze von Sylvana bildete. Noch war sie vor den Bogenschützen sicher, die die Waldelben an ihren Grenzen positioniert hatten, um jeden Eindringling, der doch einen Fuß ins Reich der Legenden setzte, erbarmungslos zu erschießen. Im Moment wurde jeder verfügbare Elb im Kampf gegen die Warge gebraucht. Schnaufend erklomm sie den Gipfel des Hügels und beobachtete mit Entsetzen, wie aus ihren Fingerspitzen kleine Flammen züngelten. In ihr tobte das Feuer des Bael. Sein Vermächtnis an seine Nachkommen. Seine ganz eigene, perfide Rache. Amruielle besaß durch ihre Mutter eine göttliche Seele, die immerfort mit dem verdorbenen Erbteil eines gefallenen Gottes kämpfen musste. Lykos, ihr Bruder, hatte es nicht geschafft, sich dem Bösen zu verwehren. Traurig dachte sie an die anderen fünf Geschwister, die der Dunkle Herrscher nach ihrer Flucht aus Morband, gejagt und zu magischer Asche verbrannt hatte. Wie er gierte auch sie nach der Asche, da durch das Einatmen die Welt bunter und das Leben leichter wurde. Nur durch den Rausch, den die Asche ihr schenkte, hatte sie ihr Dasein in den Wurzelschächten der Vulkanburg ertragen und ihren Plan verfolgen können.

Erschöpft sank sie nieder. Das Wasser des Silberflusses glitzerte so schön wie die Facetten des klaren Kristalls, den sie Amruila in die Decke gesteckt hatte. Glücklich wie die Asche konnte er machen.

Einfach hier sitzen, von ihrem Kind und dem Leben mit Averloron träumen, das sie sich wünschte und das ihr nicht bestimmt war. So wäre es leichter, den Flammentod zu ertragen. Etwas Asche hatte sie noch ihrem Wams. Die nächste Schmerzwelle jagte durch ihren Körper, sie krümmte sich auf dem felsigen Boden, der von Grasbüscheln durchsetzt war. Jeden Halm sah sie überdeutlich vor sich. Manche waren gelb, andere hatten dunkelgrüne Streifen. Es gab kurze, lange, geschwungene. Ihr Wams wurde dünn und schwarz, so wie Papier, das man über eine Kerze hält. Einfach hier liegen bleiben, in den Himmel blicken, die wattigen Wolken beobachten, wie sie wundersame Wesen bildeten. Das hätte sie gern mit Amruila getan. Kind, was ist das? Ein Schaf? Nein, es sieht aus wie ein Leporid. Was? Du hast noch nie ein kaninchenköpfigen Kobold gesehen. Dabei sind sie so niedlich. Das gedankliche Zwiegespräch mit einer fünfjährigen Feuerelbin, die sie aus großen grauen Augen anstarrte, zauberte Amruielle ein Lächeln ins Gesicht und ließ die neue Schmerzwelle erträglich werden.

Sie atmete tief ein und aus. Dann zwang sie sich, sich aufzusetzen. Die Sonne schien hell und warm. Ein schöner Tag. Auch zum Sterben? Du musst die Visionen losschicken, sonst war alles umsonst. Das Opfer darf nicht vergebens sein. Mit Tränen in den Augen straffte sie sich und der Wind strich ihr tröstend übers Gesicht. Da sie kein Nachtmahr war, der gezielt und ohne große Mühen Alben verschicken konnte, brauchte sie einen magischen Ort dazu. Ihr Ziel war der Arthemishain gewesen, der durchdrungen von Magie war. Weit im Westen der heutigen Westmark entsprang eine der wenigen Quellen. Doch den weiten Weg würde sie in ihrem Zustand nicht mehr schaffen. In Lukia, dem Nachbarland von Dion, gab es ebenso viel Magie. Dennoch würde es immer noch einige Tagesreisen kosten, bis sie in den lichten Wäldern den richtigen Ort gefunden hätte. Sie musste die Visionen losschicken, dabei waren sie wild und unberechenbar, wie ihre Schöpferin. Es war nicht einzuschätzen, wann die Nachrichten bei den Empfängern eintreffen würden. Ob sie eindeutig oder verzerrt waren, ob sie einmal geträumt werden würden oder öfter erschienen. Nur einmal oder immer wieder. Oder ob sie sich nicht vorher im Äther auflösten. Das Risiko musste sie eingehen, sie hatte keine andere Wahl. Das Tröstliche war, dass Morren nicht wissen konnte, dass sie eine Tochter geboren hatte. Wieder überrannte sie eine Welle eines feurigen Schmerzes. Die Tränen, die ihr über die Wangen rollten, schienen aus Lava gemacht und verbrannten ihre Haut. »Ich muss es jetzt hier tun. Mir bleibt keine Zeit!«, seufzte sie. Bevor ihre Kleidung verkohlte, riss sie sich die heißen Fasern vom Leib, suchte in den Resten der Tasche nach dem Beutelchen mit der magischen Asche, die sie von den Aschefeldern um die Burg Morband mitgehen lassen hatte. In ihr war die Magie sogar von Einhörnern, heiligen, weißen Hirschen, Drachen und anderen hoch magischen Wesen, die sie berauschte. Wie gern würde sie diese inhalieren und den Schmerz vergessen. Rasch kramte sie weiter und fand die alte Wargpfote, ein Andenken an ihren Lieblingswarg Merlynn. Auf diese Weise war ihr alter Weggefährte immer gegenwärtig und oft war Wargerei damit leichter durchzuführen. Jetzt konnte Amruielle jeden magischen Beistand brauchen. Sanft streichelte sie über das silberne Fell. Bald werde ich bei dir sein, mein Freund.

Die nächste Welle traf sie so unvermittelt und besonders hart, dass sie gegen die ewige Schwärze ankämpfen musste. So schnell ihre Hände, die aus heißen Lavaströmen zu bestehen schienen, es noch konnten, verteilte sie die magische Asche kreisförmig um sich. Dann setzte sie sich im Schneidersitz in den Kreis, legte die Wargpfote neben sich und fasste nach dem Rubin an ihrem Hals. In seinem Kern war Blut von Merlynns tödlicher Wunde. Heiliges Wargblut. Geopfert durch Liebe von einem verdorbenen Wesen des Bösen. Der Geist des Merlynn nahm Gestalt an, begrüßte sie schwanzwedelnd und leckte über ihr glühendes Gesicht.

»Danke, mein Freund. Dass du da bist und mir beistehst, in dieser schweren, letzten Stunde.«

Der silbergraue, zottelige Warg jaulte und setzte sich dann auf ihr Handzeichen brav neben sie. Der kühle Leib des Geistwesens kühlte ihren überhitzten Körper angenehm. Sie behielt den Rubin in der Hand und belebte die Asche, der nun Geister entstiegen. Sie erkannte die Konturen eines alten Drachens und eines weißen Hirschs. Amruielle erhob ihre Stimme und sang den magischen Tieren einen Willkommensgruß, in den sie einfielen. Dann verbanden sich ihre Auren, sie fasste ins Gewebe und fand die silbrigen Pfade, die wie Fäden die Träume transportierten. Sie sang den Spruch, um sie zum Vibrieren zu bringen. Daraufhin dachte sie an ihr Kind, dem sie so vieles zu sagen hatte. Dann an Averloron, mit dem sie Liebe verband und den sie bitten musste, ihr zu helfen. Und zum Schluss schickte sie eine Vision zu Viator, sodass er zum Weltenwandler werden konnte. Und als die den letzten Gedanken in die Traumpfade gespeist hatte, bat sie den weißen Hirsch, Averloron zu finden, und den alten Drachen, die Nachrichten an Viator zu bewachen. Zum Schluss schickte sie ihren geliebten Merlynn mit dem Auftrag davon, erst der erwachsenen Amruila zu erscheinen.

»Jetzt werde ich zu magischer Asche.« Der Gedanke, dass der Wind ihre Asche in allen Richtungen verwehen würde, tröstete sie, bis alles in Flammen aufging und sie ihrer Halbseele befahl, Korkros’ Hallen zu suchen.

So machten sich der weiße Hirsch, der alte Drache und der silberne Warg auf, ihre neuen Herren zu finden, um ihnen die Nachrichten in Träumen und Visionen zu überbringen. Doch sie irrten umher und konnten lange Zeit keine Aura aufspüren. Andere Unseelen, die auf den goldenen Pfaden nach einem Wirt suchten, bekämpften sie, wollten sie in die Tiefen des Nihelem stoßen. Der weiße Hirsch wurde von Untoten gefangen und lange Zeit gelang es ihm nicht, sich zu befreien. Auch für den alten Drachen, der die Unendlichkeit auf seinen unsichtbaren Schwingen durchstreifte, um den Weltenwandler zu finden, war es nicht leicht. Viator reiste durch die Welten und Dimensionen. Oft dachte der geflügelte Wurm, ihn ausgemacht zu haben, doch seine Spur verlor sich in der Unendlichkeit. Wenn der Große Gnom die Tore zu der Primären Dimension durchschritt, war er für ihn verloren, dorthin konnte er ihm nicht folgen. Also blieb dem Drachengeist nichts Anderes als sich vor das Nebeltor zu kauern und zu warten, bis der Reisende zurückkam.

Dem Warg jedoch gelang es, die kleine Feuerelbin zu finden, denn sie lebte an dem Ort, an dem Amruielle die Geister losgeschickt hatte. Noch durfte er jedoch der kleinen Amruila die Träume nicht überbringen, noch war sie zu jung. Merlynn vermisste seine Herrin, die ohne ihn zu den Hallen des Korkros geritten war. Die kleine Feuerelbin erinnerte ihn sehr an seine Herrin. Und da er als Geist nichts anderes zu tun hatte, als seinen letzten Auftrag zu erfüllen, wartete er darauf und beobachtete das kleine Kind, wie es im Dorf der Waldelben größer wurde. Doch Merlynn bemerkte bald den Argwohn, den die unmagischen Waldelben recht bald vor dem fremdartigen Kind verspürten. Argwohn und Angst vor der kleinen Elbin, die mit ihrer olivfarbenen Haut und der derben Gestalt nur wenig edel aussah.

Aber ihm waren die Pfoten in seinem Dasein gebunden, nichts konnte er ohne einen Befehl Amruielles tun. So litt er mit Rayden, wenn die Waldelben sie ungerecht behandelten.

Als Rayka im Jahr 580 ihren sechzigsten Geburtstag feierte und langsam zu einer jungen Elbin herangewachsen war, fand Merlynn, dass es Zeit für den ersten Traum war:

***

Rayka schreckte von ihrem Nachtlager auf. Und da sie sich selbst sehen konnte, wusste sie, dass sie immer noch schlief und träumte. Sie spürte, wie sich etwas in ihren Rücken bohrte. Rasch wirbelte sie auf die andere Seite, wobei sich ihre Beine in der Bettdecke verfingen und sie das Gleichgewicht zu verlieren drohte, und starrte beklommen in zwei glühende Augen. Rayka schluckte, versuchte den Blick zu senken, da ihre Augen schmerzten. Tränen liefen ihr über die Wangen, aber selbst ihre Lider gehorchten ihr nicht. Solche Augen hatte sie noch nie gesehen. Sie waren von der Schönheit eines vollkommenen Diamanten. Sie glitzerten silbern und doch in allen Farben. Ein strahlendes, sphärisches Licht ging von ihnen aus, das Raykas Herz erwärmte. Jegliche Furcht fiel von ihr ab, auch jeder Kummer und jede noch so bedrückende Sorge war wie weggeputzt. Selbstvergessen wischte sie sich die Tränen vom Gesicht. Der Schmerz war verschwunden, doch das alles wunderte sie nicht. Sie empfand nur Glück, das sie auflöste. Sie spürte weiter nichts als den Herzschlag des Seins und verging beinahe in seinem Rhythmus. Dann begann das Licht zu flackern, in seinem Innern pulsierte ein roter Schein. Eine Flamme, die leidenschaftlich emporloderte, sich zur Feuersbrunst erhob und das goldene Licht verbrannte. Mit einem Mal erstarb der Herzschlag. Rayka rang nach Luft. Der Trost, den sie wie eine Salbe empfunden hatte, zerrann. Das Glück verkohlte. Und sie wurde auf sich zurückgeworfen. Die zwei Augen blieben einen Wimpernschlag, doch es waren nur schöne Edelsteine, in denen feurig das Leben loderte. Dann lösten sie sich auf und um Rayka war nur noch Finsternis, die sie schwärzer als jede andere Dunkelheit empfand. Von ihr blieb nur die Asche eines armseligen Lebens.

***

Enttäuscht dachte Merlynn: Das war es? Tückische Traumreise. Hatte der Traum während der vielen Jahre etwa Schaden genommen? Wie sollte das arme Elbenmädchen denn jetzt wissen, dass es die Silbren waren, die sie gesehen hatte? Und konnte sie nach dem Traum erahnen, dass sie eine Feuerelbin war und eine Zauberschmiedin werden konnte? Wohl kaum. Mitfühlend beobachtete der Warggeist, wie Rayka nur langsam den Weg in die Wirklichkeit fand und sich die Augen rieb. Als sie erkannte, dass sie in der Wolfshöhle lag, blieb sie ernüchtert niedergeschlagen und einsam zurück. Der rotbraune Warg, der neben ihr schlief, bemerkte von ihrer Trauer nichts. Dumpfes Ding, dachte der Warggeist von seinem Artgenossen. Er selbst wäre der bessere Gefährte, wenn er noch aus Fleisch und Blut bestünde. Nur zu gern hätte Merlynn Raykas Hand geleckt und sie getröstet. Hatte der Traum denn nur schlechte Gefühle für sie? Dann flammte offenbar die Erinnerung an das goldene Licht in ihr auf, die der Geist mit ihr teilte. Sie spürte eine schreckliche Sehnsucht, die sie nahezu verbrannte. Ich brauche diese Steine!

Und dann bemerkte Merlynn, dass sie doch etwas von der mütterlichen Geborgenheit verspürt haben musste. Denn sie dachte: Einfach nur sein, wie schön. Das habe ich noch nie zuvor erfahren. Das will ich aufs Neue.

Keuchend formte sie aus Magie eine Lichtkugel. Es strengte sie sehr an, obwohl sie das schon so oft gezaubert hatte. Merlynn hatte Mitleid mit ihr. Warum half der Traum nicht, wenn er ihn doch endlich zu ihr schicken durfte? Aber er wusste ja, dass die Träume ein Eigenleben hatten und er noch öfter einen schicken musste, bis alles gesagt war, was Amruielle hatte sagen wollen. Am besten, ich versuche es gleich noch einmal.

Merlynn erkannte voller Freude, dass Amruielle in ihrer schönen Gestalt in dem Traum vorkam.

***

Entzückt betrachtete sie sich im Spiegel. Sie war es und auch wieder nicht. Die Elbin, die zurücklächelte, war wunderschön. Ihre blutroten Haare umspielten in leichten Wellen ihr Gesicht in absolut harmonischer Symmetrie, ohne das Feuermal, das es entstellte. Staunend tastete sie nach ihrer Wange, ihre Haut war weich und makellos. Ihre riesigen, mandelförmigen Augen blitzten voller Vergnügen. Sie hatte ihre rot-schwarze Lederkleidung gegen ein burgunderrotes Spitzenkleid eingetauscht, das ihre weiblichen Formen atemberaubend betonte.

***

Sie träumt gar nicht von ihrer Mutter, sondern wünscht sich diese Gestalt, dachte Merlynn.

 

Aschengier

 „Aschengier“  kommt

Noch im Juni:

Der 3.Teil der High-Fantasy-Reihe Die Zauberschmiedin

Die Zauberschmiedin zwischen Liebe, Freundschaft, Eifersucht und einem dunklen Pakt.

Aschengier

Der Mond blutet und auf der Sonne toben Feuerstürme, die auf Eisenland niedergehen und es zu vernichten drohen. Das grausame Ritual des Dunklen Herrschers entfaltet seine Wirkung. Rayka und Lavilija treten erneut den Kampf gegen das Böse an und versuchen, den Tod der Himmelskörper zu verhindern. Die Liebe zum Waldelb Targoin macht sie zu Rivalinnen. Eifersucht und Misstrauen erschüttern ihre Freundschaft. Als Targoin in die Fänge der Marroval gerät, wird nicht nur ihre Freundschaft auf eine harte Probe gestellt. Denn Gentia will die beiden Elbinnen  zu einem Pakt nötigen und benutzt Targoin als Unterpfand.